Das Treffen am Teich


Die Pinkys waren aufgeregt und drückten ihre Nasen an der Fensterscheibe platt. Während die Dosi vor dem Fernseher der Aufklärung heimtückischer Mordfälle durch einen gewissen Inspektor Barnaby entgegen harrte spielten sich unbemerkt von ihrem seriengeschulten Kriminal-Instinkt spannende Szenen auf dem eigenen Hinterhof ab. Gut, es wurde niemand perfide um die Ecke gebracht aber auf dem Hof standen sich zwei Kampfkater gegenüber. Ein kurzbeiniger schwarzer mit alberner weißer Nase und ein großer fremder Kater. Ein sehr großer fremder Kater. Sie standen sich Aug in Aug gegenüber - Stirn an Stirn sozusagen und brüllten sich gegenseitig die Meinung über den anderen entgegen. Die Lautstärke hätte man ob des geringen Abstands locker um einige 100 Dezibel drosseln können .. aber hier ging es um's Prinzip. Der fremde, ein schwarz weißer Kater mit Zorro-Maske hatte einen passablen Bariton. Der andere war Keksi. Der Heldentenor war nicht so gut bei Stimme wie sonst, er schien etwas aufgeregt und japste in den Höhen immer nach Luft, so als würde ihm die Frechheit, dass sich jemand in sein Revier getraut hatte, die Stimme verschlagen.
Der Fremde hatte den Napf von Mama Pinky leeren wollen und war dabei von Keksi überrascht worden. Willy und Hermann sprangen vom Fensterbrett und liefen ins nächste Zimmer von wo aus sie eine bessere Sicht zu haben glaubten. Von dort kamen ihnen Tinkerbell und Twinkle entgegen die wiederum glaubten am anderen Fenster bessere Sicht zu haben. Das hektische Hin und Hergerenne entging der Dosi nicht und lenkte ihre Aufmerksamkeit ab vom Geschehen in der Grafschaft Midsomer. Die Pinkys konnten nun von ihren Fensterplätzen verfolgen, wie die Hintertür aufging und zwei blaue Gummihandschuhe in Richtung der Sänger flogen. Die beiden Streitkater verließen etwas hastig den Ort des Geschehens. Doch kaum um die Hausecke verschwunden nahmen sie ihr Gesangsduett wieder auf.

Die Pinkys eilten zur Tür denn nun konnten sie das Geschehen nicht mehr von einem Fenster aus verfolgen. Man wollte doch nichts verpassen. Leider gab es striktes Ausgehverbot. Sie äußerten sich lautstark und voller Unmut über die Beschränkung ihrer Freiheit aber die Dosi blieb hart. Keine nächtliche Massenkeilerei.

Dabei wollten sie doch nur dabei sein, wenn Keksi mal eins auf die Mütze bekam. Übellaunig setzten sie sich zusammen auf das Bett vom Dosimann.

"Das ist ja langweilig" sagte Tinkerbell maulig. Sie hatte sich in letzter Zeit öfter mit Thura und Jola getroffen. Das war sehr unterhaltsam gewesen. Sie hatten Fotos von Cat Pitt und anderen Schauspielerschönlingen angesehen und gekichert, wenn sie über Jungs sprachen. Thura hatte einen Verehrer. Er hatte ihr neulich einen Fisch vor die Pfoten gelegt und sie eingeladen auf das nächste Mondscheintreffen am verbotenen Teich. Sie hatte sich geziert und gesagt, sie käme nur, wenn ihre Freundinnen mitkämen und so stand beim nächsten Vollmond für die 3 Mädels ein spannendes Abenteuer an.

Willy schlug vor, doch die Suche nach Paulchen wieder aufzunehmen. Die Vollmondparty am See könnte man gut als nutzen, mal ein wenig in die Runde zu fragen und den Partybesuchern das Foto von Paulchen zu zeigen. Tinky fand die Idee nicht so gut. Sie wollte nicht gleich unangenehm auffallen.

Das Duett auf dem Hof schien beendet - jetzt hörte man nur noch Keksis üblichen Gesang mit dem er verkündete, wie toll er sei. Sie brauchten nicht aus dem Fenster zu schauen um zu wissen, dass er jetzt mackerhaft alles markierte, was mehr als 5 Zentimeter überstand. Die Pinkys waren sich einig, den Macho nicht noch einmal mit auf ihren Ausflug zu nehmen. Voll peinlich, wie der sich benahm.

Der nächste Vollmond kam und Tinky ging ihre Freundinnen abholen. Die Jungs vertrieben sich die Zeit mit dem üblichen Abendkram. Der Rundgang durch Nachbars Garten, in Mäuselöchern rumstochern, angepisste Stellen kontrollieren, nachsehen, ob irgendein verspäteter Vogel es nicht mehr zeitig ins Nest geschafft hatte, Maikäfer zu Boden schlagen ... Aber sie waren nicht so richtig bei der Sache, dachten an Tinky und beschlossen spontan, doch zum verbotenen Teich zu gehen.

Sie hatten den Ort des Geschehens schon vor Tagen abgecheckt. Der kleine See war von einem Wall umgeben. Mächtige Weiden standen dort und streckten ihre Zweige weit in den Himmel. Um das Wasser herum stand an den Uferrändern Schilfgras, alles war dicht mit Brombeeranken und Brennnesseln zugewachsen. Ein kleines vollgelaufenes Boot lag halb im Wasser halb am Ufer. Sie registrierten Flaschen, Dosen, Reifen, ein Fahrradlenker und einen Gartenstuhl. "Die Menschen nutzen traditionell die Gewässer um nicht mehr benötigtes zu lagern" bemerkte Willy wichtig, "so wird der Müll gleich sauber". Einige Enten wuselten in Ufernähe unter dem Geäst eines abgebrochen Weidenbaumes. Ein kleiner Pfad umrundete den Teich, endete an der Stelle mit dem Boot in einem Gewirr aus Zweigen und Ranken. Sie betrachteten das Boot aus der Nähe. "Vielleicht schwimmt es noch wenn man das Wasser ausschöpft" hatte Hermann gemeint. Beim nächsten mal würden sie leere Büchsen mitbringen um es auszutesten.


Heute wurde das jedenfalls nichts mit bootfahren. Die Pinkys hatten sich eine wilde Party mit Katzenminze und lauter Musik vorgestellt. Statt dessen fanden sie ein sehr ruhiges geselliges Beisammensein vor. Der Mond spiegelte sich in dem kleinen See und soweit man einen Blick auf den ein oder anderen Besucher erhaschen konnte, saßen alle friedlich im Gras, auf Baumstümpfen und sahen gedankenvoll auf die Spiegelungen im Wasser. Den Gartenstuhl hatte man aufgerichtet. Ein dunkler großer Kater saß darauf. Er drehte den Kopf als er die Neuankömmlinge bemerkte. Seine Augen leuchteten auf im Mondlicht. Türkisfarbene und silberne Reflexe streiften die drei Pinkykater. Der Dunkle nickte unmerklich und sie setzten sich schüchtern ins Gras am Fuß einer Weide. Hin und wieder huschte einer Abendhauch durch die Zweige und bahnte dem Mondlicht einen Weg durch Blätter und Zweige. Sie sahen Thura und ihren Verehrer Pfötchen haltend unter einem Dach von Brombeerranken. Tinky saß mit Jola zusammen auf einem umgestürzten Ast über dem Wasser. Da waren Katzen, die sie noch nie gesehen hatten. Es gab auch bekannte Gesichter wie Sando der Nachbarskater und seine beiden Mitbewohner. Hin und wieder erhob einer der Katzen die Stimme und gab eine kleine Gesangseinlage zu Besten. Just for fun .. ohne damit einem anderen zu nahe treten zu wollen. Die Zuhörer quittierten die Darbietungen mit beifälligem Pfötchengetrappel. Eine Tenorstimme sang eine Arie, die den Pinkys aus dem Werbefernsehen bekannt vorkam. "Ist das nicht Keksi - was macht er da??"" flüsterte Hermann. "Ja, meinte Willy, das ist Keksi. Ich glaube, er singt von Schokoladencrossies" . Twinkle fühlte den Drang, auch einmal eine Gesangsprobe von sich zu geben. Aber noch während er Luft holte hielten Hermann und Willy ihm die Pfoten vors Maul. "Pssst". Man wollte den Hofmacho doch nicht unnötig auf sich aufmerksam machen. Sie blieben noch eine Weile und genossen die entspannte Atmosphäre. Wieder auf dem Heimweg, hörten sie von hinten eine bekannte melodische Stimme "Guten Abend, Jungs. Hat es Euch gefallen?" Den Pinkys verschlug es die Sprache. Keksi war nett zu ihnen? Willy stammelte irgendein wirres Zeug wie "ja, es war sehr unterhaltsam und die Beleuchtung war klasse." Keksi nickt ihnen freundlich zu. Er hatte wohl noch etwas vor, denn er nahm nicht den direkten Weg nach Hause. Noch etwas romantisiert von der friedlichen Stimmung sanken sie zuhause in die Betten und fragten sich, wie Keksis Stimmung wohl den nächsten Tag sein würde, wenn der Mondscheinrausch vorbei war.

Keksi war die nächsten Tage unterwegs, hatte Connections geknüpft auf dem Treffen und ein Frollein kennengelernt. Das gab den Pinkys Zeit sich von ihm zu erholen.






Copyright Christiane Döring
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2014 / 2024

4 Kommentare:

  1. Oh, im September oder später habe ich dann ja viel zu lesen :-)
    Ich habe eben auch erst Deine neuen Ballettmäuschen gesehen. Du könntest wirklich ein KI-Kinderbuch damit machen. Das könnte wirklich richtig niedlich und zeitgemäß werden ... Ich stelle immer wieder fest, dass es gut für uns war den Weg nicht weiter zu verfolgen. da hast Du wirklich ein geschichteres 'Händchen'
    Wir lesen uns später, das Wochenende ist übervoll ...
    Aber ich hoffe Ihr genießt das leicht herbstliche Wetter!
    LG Silke

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  2. So, nachdem ich wieder anders zu Finja stehe, und vielleicht in Aktionismus verfalle, habe ich Deine zunächst draufgängerische und danach angenehme Stimmung genossen. Ja, Katzen können so unterschiedlich sein. Und es ist gut, wenn sie dafür den Raum bekommen ihr Wesen auch auszuleben ...

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    1. Ich kenne das mit dem Aktionismus. Aber irgendwann wird es still in einem, und mit dem Innehalten kommen andere Gedanken. Man sollte sich auch keine Vorwürfe machen, man hat das getan, was möglich war. "Wir können sie nicht antackern" sagt mein Mann immer. Wenn Bedingungen eintreten, die wir nicht kennen, nicht vorhersehen konnten und auf die wir keinen Einfluss haben, müssen wir den Lauf der Dinge akzeptieren.
      LG Christiane

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  3. Liebe Christiane bin erst jetzt - mitten in der Nacht dazu gekommen deine Katzengeschichte zu lesen. Da könnten sich so mache Schriftsteller/Schreiber eine Scheibe von abschneiden, so gut hast du die Atmosphäre des "nächtlichen Treffens am Teich " deiner Protagonisten getroffen. den Katzen eine Stimme geben, die Märchen, Anekdoten und Geschichten mit besonderen Begebenheiten selber erzählen lassen ist wunderbar zu lesen, auch zum sie vorzulesen, genau das Richtige um eine Lesung abzuhalten, witzig, stimmungsvoll romanhaft - der Leser und Zuhörer wartet förmlich auf Fortsetzungen, dafür hast du echt ein begnadetes Händchen - du versetzt dich hinein - " in die Seele und Gefühlswelt" der Katzen. es liest sich wundervoll
    " Zum abschalten nach der Fülle eines Tages bestens geeignet "- würde ich dazu darunter schreiben wenn ich' s im Verlag rezensieren sollte...
    Daumen hoch dafür...
    gibt es denn deine Katzengeschichten auch im Buch"?
    begeistert gelesen...
    herzlich angel...

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